Die Orthodoxe Kirche



Die Kirche des Ostens

Die Wegweiserin. Eine italienische Mariendarstellung im byzantinischen Stil Nicht zuletzt durch Arbeitsmigranten aus Griechenland, aber auch aus Serbien und den slawischen Ländern des Ostens gibt es auch in Deutschland orthodoxe Gemeinden.

An der Schwelle zum dritten Millennium umfaßt die Geschichte der Trennung zwischen ("lateinischer") Westkirche und ("griechischer") Ostkirche nun fast ein Jahrtausend: des Streits, der Entfremdung, der Annäherung.

Die orthodoxe Kirche ist eine Gemeinschaft von Bischofskirchen: Sie ist stolz darauf, die altkirchliche Struktur aus dem dritten Jahrhundert bewahrt zu haben, den sogenannten "monarchischen Episkopat" mit der Dreiteilung des neutestamentlichen Priestertums in Bischof, Presbyter (Priester) und Diakone.

Die orthodoxe Weltkirche vereinigt in sich verschiedene kirchenrechtlich eigenständige ("autokephale", "autonome") Kirchen. An ihrer Spitze steht jeweils ein kirchenleitender Bischof, der den Titel "Patriarch" führt oder aber Erzbischof (Metropolit) ist. Der kirchenleitende Bischof einer orthodoxen Kirche führt den Vorsitz der Bischofssynode, die in jeder Kirche die höchste Autorität (unterhalb des Ökumenischen Konzils aller Bischöfe) besitzt und über Verwaltung und Lehre wacht.



Orthodoxe Weltkirche

Die verschiedenen orthodoxen Kirchen bilden eine historisch begründete Rangordnung. Dieses System geht zurück auf die Kirchenordnung der alten Reichskirche, die sogenannte "Pentarchie" (Fünferherrschaft). Nach ihr wurden die Regionen des damaligen christlichen Kaiserreichs durch je ein kirchliches Zentrum repräsentiert, dessen Bischof den Titel des "Patriarchen" führte:

Nach dem Bruch mit Rom räumen die Kirchen der byzantinischen Orthodoxie dem Patriarchen von Konstantinopel einen Ehrenvorsitz ein, weil Konstantinopel zwischen 320 und 1453 das Zentrum des byzantinischen Kaiserreichs und der östlichen Christenheit war. Er trägt seit dem sechsten Jahrhundert den Titel "Ökumenischer Patriarch". Das heißt soviel wie "Patriarch der Weltkirche". Er besitzt jedoch über die anderen orthodoxen Kirchen keine unmittelbare Rechtsgewalt, die mit dem "Jurisdiktionsprimat" des römischen Papstes über die Bistümer der römisch-katholischen Kirche vergleichbar wäre. Auch nimmt er für seine Lehre keine Unfehlbarkeit in Anspruch, mit der der römische Papst in Ausübung seines "Lehrprimates" alle Gläubigen der römisch-katholischen Kirche verplichten kann. Der Ökumenische Patriarch begreift sich als "Erster unter Gleichen".

Jedesmal, wenn ein kirchliches Gebiet der Orthodoxie sich erweitert und Selbständigkeit erreicht hat (geschichtlich zum Beispiel die slawischen Kirchen), wird die rechtliche Selbständigkeit (Autonomie) und die Oberhoheit des leitenden Bischofs von der Synode der orthodoxen Kirchen anerkannt; die höchste Form ist die Anerkennung als "Patriarch".



Liste der Kirchen der byzantinischen Orthodoxie

Die folgenden Links verweisen auf Quelltexte der Internetseiten der "Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland" (KOKiD):


Weitere Links zur Orthodoxie finden Sie [hier].


Athenagoras, Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel († 1978)
"Die Kirche soll keine Autorität sein, die Erlaubnisse und Verbote erteilt; sie soll freie Menschen erzeugen , die imstande sind, ihr Leben im Licht des Heiligen Geistes frei zu gestalten. Denn das Christentum besteht nicht aus Verboten; es ist Leben, Feuer, Schöpfung, Verwandlung, Erleuchtung."



Orthodoxer Glaube

Auf den ersten Blick scheinen die Lehrunterschiede zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Kirchen der byzantinischen Orthodoxie gering im Vergleich mit den Schwierigkeiten, gemeinsam mit den im Westen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und Gemeinschaften den Glauben zu formulieren.

Viele Gemeinsamkeiten rühren nicht zuletzt daher, daß die großen Klärungen des kirchlichen Gottes- und Christusbekenntnisses in der Sprache des Ostens abgefaßt wurden. Sie wurden von Kirchenversammlungen (Konzilien) feierlich verkündet, die im Osten des alten Kaiserreichs zusammenkamen. Anders als der Streit zwischen "Bibel" und "Tradition", wie er seit der abendländischen Reformation die ganze westliche Theologie geprägt hat, hat das Traditionsargument in der Ostkirche großes Gewicht: Hier fühlen sich die Vertreter der byzantinischen Kirchen als die "orthodoxen" (das heißt "rechtgläubigen") Zeugen des überlieferten Glaubens auch gegenüber der Kirche von Rom und ihren "Neuerungen".

Vor allem aber hat sich in den orthodoxen Kirchen ein "Glaubensstil" ausgeprägt, in dem die kulturellen Unterschiede zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil des Mittelmeerraumes auf ihre Weise fortleben.

Am sinnenfälligsten wird dieser unterschiedliche Glaubensstil in dem Ideal des christlichen Lebens und in der Bedeutung der Bilder (Ikonen).

Im Westen erscheint das Ideal christlichen Lebens als "Nachfolge Christi": Dem leidenden Jesus ähnlich zu werden bis hinein in die "Nacht" der Gottverlassenheit des Gekreuzigten. Im Osten ist das Ziel des Glaubens die "Vergöttlichung" des Menschen, durch die der Glaubende durch den Heiligen Geist dem menschgewordenen Gott gleichgestaltet wird und zur Schau des göttlichen Lichtes gelangt. Heilige des Westens tragen die Wundmale Christi auf ihrem Leib, Heilige des Ostens erstrahlen im Licht der Verklärung Christi auf dem Berg Tabor.

Die Weisheit. Eine Christusdarstellung vom Berge Athos Die sakrale Kunst im Westen hat zunächst belehrende Funktion ("Armenbibel") und wird später zum individuell erbaulichen Andachtsbild für den einzelnen. Die Bilder (Ikonen) der Ostkirche sind nicht pädagogisch, sondern quasi sakramental: Sie führen in die Gegenwart dessen, was sie abbilden. In dieser Funktion sind sie weder Ausdruck eines Künstlerindividuums noch richten sie sich an private Erbauung: Sie sind fester Bestandteil der Liturgie der Kirche. Ihre Motive und Gestaltung unterliegen der verbindlichen Regelung durch die kirchlichen Synoden.

Den "Sieg" der Bilder im christlichen Kult, über theologische Bilderkritik und "Bilderstürmerei", begeht die Ostkirche noch heute als eigenes Fest, als den "Sonntag der Rechtgläubigkeit". In der Legitimität der Ikonen drückt sich für die orthodoxe Theologie die rechtgläubige Auffassung von der Selbstmitteilung des Dreifaltigen Gottes aus: Gott ist unsichtbar und läßt sich nicht in Bilder und Begriffe fassen. Jesus als der Mensch gewordene Sohn Gottes vereinigt aber alle Eigenschaften unserer menschlichen Natur in sich, und damit auch die Möglichkeit zur Abbildung. So führt der Menschgewordene durch seine Menschheit zur Schau des Unsichtbaren. Die Christus-Ikonen der Ostkirche sind damit eigentlich Ikonen des Dreifaltigen Gottes: Sie zeigen den Menschen Jesus, den durch den Geist Mensch gewordenen Sohn des Vaters. In ähnlicher Weise sind auch die unzähligen Ikonen der Gottesmutter darstellender Hinweis auf den nichtdarstellbaren Dreifaltigen Gott: Sie zeigen Maria, vom Vater erwählt, um in der Kraft des Geistes Mutter des Sohnes zu werden: Theotokos, die "Gottesgebärerin".



Die Ikone am Kopf dieser Seite zeigt die Gottesgebärerin als "Wegweiserin" (Hodegetria): Maria hält Christus mit der Schriftrolle auf dem linken Arm und deutet mit der rechten Hand auf Ihn, der "Weg, Wahrheit und Leben" ist. Die Darstellung der Gottesgebärerin als "Wegweiserin" ist der am weitesten verbreitete Typus und geht der Legende nach auf den Evangelisten Lukas zurück. Die abgebildete Ikone stammt aus dem dreizehnten Jahrhundert aus Italien (Lucca), das zu dieser Zeit bedeutende Zentren byzantinischer Malerschulen besaß (Venedig, Palermo, Monte Cassino).
Die Christus-Abbildung auf dieser Seite ist eine berühmte Christus-Darstellung aus der Mönchsrepublik des Athos.




© Ulrich Sander